
Friedensprozess: Experten sehen begrenzte Auswirkungen auf Ölpreise
Nach der ersten Euphorie um einen möglichen Frieden in der Ukraine, kehrt die Skepsis an den Ölmarkt zurück. Analysten und Marktbeobachter fragen sich inzwischen, ob ein „Peace Deal“ überhaupt zu einem schnellen Anstieg der russischen Ölexporte und damit auch zu spürbaren Veränderungen am Weltmarkt führen würde.
Aus Händlerkreisen wird zudem verstärkt auf die Komplexität einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland sowie auf die weiterhin zögerliche Haltung europäischer Abnehmer. „Eine Lockerung der Sanktionen würde den Markt deutlich verändern – aber bislang wartet er auf belastbare Signale“, meint Nadia Martin Wiggen, Direktorin bei Svelland Capital.
Auch Goldman Sachs hält an einem vorsichtigen Basisszenario fest. „Wir gehen von einem Status quo bei den Sanktionen aus“, erklärte Goldman-Analyst Daan Struyven . Demnach dürfte die russische Ölproduktion weiter sinken. Ein Friedensabkommen und eine mögliche Lockerung der US-Sanktionen könnten den Ölpreis laut Goldman um etwa fünf Dollar pro Barrel drücken.
Marktlage
Der Ölmarkt bleibt auf Richtungssuche und versucht einzuschätzen, ob ein Waffenstillstand in der Ukraine tatsächlich erreichbar ist und wie sich dieser potenziell auf die globalen Ölströme auswirken würde. Dabei steht die Frage nach den Sanktionen im Zentrum. Allerdings dürfte der Handel heute aufgrund des US-Feiertags Thanksgiving dünn bleiben und die allgemeine Volatilität befeuern.
Unterdessen setzen sich die diplomatischen Bemühungen der USA fort. So soll der US-Sondergesandte Steve Witkoff in der kommenden Woche nach Moskau reisen, um mit der russischen Führung über eine mögliche Beendigung des inzwischen fast vier Jahre andauernden Krieges in der Ukraine zu sprechen. Erst gestern hatte ein hochrangiger russischer Diplomat erklärt, Russland werde bei einem Friedensplan keine wesentlichen Zugeständnisse machen.
Die Verhandlungen dürften also schwierig bleiben, weshalb die Skepsis gegenüber den Chancen eines tatsächlichen Friedensabkommens bei den meisten Marktbeobachtern überwiegt. „Ein Abkommen zwischen der Ukraine und Russland ist nur dann relevant, wenn es sich in echten Ölfässern niederschlägt“, kommentiert Haris Khurshid von Karobaar Capital. „Der Markt braucht Pipelines, Schiffe und Verträge – ein reines Handschlagabkommen reicht schlicht nicht aus.“
Priyanka Sachdeva, Senior-Marktanalystin bei Phillip Nova richtet den Blick unterdessen auch wieder auf andere Faktoren, die den Markt bewegen: „Die Ölpreise geben heute Morgen leicht nach, hauptsächlich aufgrund von Hoffnungen auf einen Durchbruch im Ukraine-Konflikt und einen breiteren Abbau der Kriegsrisikoprämie. Dennoch wirkt der Markt vor dem OPEC+-Treffen und angesichts der Feiertagsflaute in den USA dünn und richtungslos“.
Die OPEC+ kommt am Sonntag zu ihrem nächsten Treffen zusammen. Bei diesem werden diesmal alle 23 Mitgliedsländer vertreten sein und nicht nur die acht Partner, die seit dem Frühjahr ihre freiwilligen Förderkürzungen abbauen. Aus OPEC-Kreisen hieß es zuletzt, dass die Produktionsmengen dieses Mal nicht verändert werden dürften. Beim letzten Meeting der OPEC+8 im Oktober hatte man sich auf eine Pause der Anhebungen im ersten Quartal 2026 verständigt.
Unterdessen rückt auch die US-Zinspolitik langsam noch einmal in den Fokus, denn in wenigen Tagen trifft sich die US-Notenbank zu ihrer letzten Sitzung in diesem Jahr. Hier hofft man weiterhin darauf, dass die Fed ihre Zinsen noch einmal senken wird, was in der Regel das Wirtschaftswachstum anregt und damit auch die Nachfrage nach Öl stärkt.
Bei der ING fasst man die aktuelle Marktlage folgendermaßen zusammen. „Der Ölmarkt befindet sich in einer Zwickmühle zwischen den möglichen Fortschritten bei den Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine und den Auswirkungen, die dies auf die Ölversorgung haben würde, während gleichzeitig die Risikobereitschaft der Anleger zunimmt, da die Erwartungen hinsichtlich einer Zinssenkung durch die US-Notenbank im Dezember steigen“.
Aus fundamentaler Sicht nehmen wir heute deshalb erst einmal wieder eine neutrale Haltung ein, da der Markt nun zunächst auf eindeutige Signale und Ergebnisse wartet.