
Russland/Ukraine: Trump hebt Deadline auf
Die schwierigen Verhandlungen im Friedensprozess zwischen Russland und der Ukraine gehen weiter. Erneut zeigte sich US-Präsident Donald Trump optimistisch über einen baldigen Durchbruch. Er habe das Gefühl, man sei „einer Einigung sehr nahe“.
Erst am vergangenen Freitag hatte der US-Präsident der Ukraine eine Frist zur Zustimmung zum US-Plan bis Thanksgiving an diesem Donnerstag gestellt. Von dieser Forderung wich Trump nun ab und sagte, es gebe keine feste Frist. Auf Social Media schrieb er wenig später, er habe weitere Gespräche sowohl mit der russischen, als auch mit der ukrainischen Seite angewiesen.
Weniger optimistisch zeigt man sich in Europa. So äußerte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erneut Zweifel daran, dass Putin überhaupt an Frieden interessiert ist. „Russland ist derzeit eindeutig nicht zu einem Waffenstillstand bereit“, sagte Macron gestern nach einer Videokonferenz der sogenannten Koalition der Willigen zur Unterstützung der Ukraine. Er forderte die europäischen Alliierten auf, weiterhin Druck auf die russische Führung auszuüben, damit diese Verhandlungen aufnimmt.
Marktlage
Zur Wochenmitte stabilisieren sich die Ölbörsen wieder, nachdem sie gestern durch die Bank neue Monatstiefs markiert hatten. Auslöser für den Rückgang waren Anzeichen, dass ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine möglich ist – eine Entwicklung, die zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland führen könnte, während gleichzeitig alle Anzeichen auf ein globales Überangebot hindeuten.
Ein Großteil von Russlands Öl- und Kraftstoffexporten unterliegt inzwischen sehr strengen westlichen Sanktionen, die zudem regelmäßig verschärft werden. Dennoch gelang es Moskau in den letzten Jahren, seine Absatzmärkte so anzupassen, dass vor allem China und Indien, aber auch die Türkei und einige andere Länder bei günstigem russischen Öl gern zugreifen. Die Auswirkungen einer möglichen Lockerung der Sanktionen auf die Weltmarktpreise sind deshalb nur schwer abzuschätzen.
Die entscheidende Frage ist, ob ein Waffenstillstand überhaupt zur Aufhebung der Sanktionen führen würde“, gibt Marktexperte Huang Wanzhe von Dadi Futures zu bedenken. „Da dieses Waffenstillstandsabkommen von den USA geführt wird, ist selbst in einem optimistischen Szenario eher davon auszugehen, dass zunächst nur die Vereinigten Staaten einer Wiederaufnahme russischer Ölexporte an Abnehmer wie Indien über Ausnahmeregelungen oder eine lockerere Kontrolle der Sanktionen den Weg ebnen würden.“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte gestern in einer Rede vor den europäischen Staats- und Regierungschefs, er sei bereit, dem von den USA unterstützten Rahmenplan zuzustimmen, es gebe nur noch wenige offene Streitpunkte. Zugleich rief er die europäischen Länder dazu auf, ein Konzept für die Entsendung einer „Rückversicherungstruppe“ in die Ukraine auszuarbeiten und ihre Unterstützung fortzusetzen, solange Russland keine Bereitschaft zur Beendigung seines fast vier Jahre andauernden Krieges zeige.
Großbritannien, Europa und die USA hatten zuletzt ihre Sanktionen gegen Russland im Rahmen einer verstärkten Druckkampagne weiter verschärft. Die russischen Ölimporte des wichtigen Abnehmers Indien dürften damit im Dezember auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren fallen.
„Sollte das Abkommen finalisiert werden, könnten die westlichen Sanktionen gegen russische Energieexporte rasch demontiert werden“, glaubt IG-Marktanalyst Tony Sycamore. Dies könnte den WTI-Preis potenziell auf etwa 55 Dollar drücken. „Vorerst wartet der Markt aber auf mehr Klarheit, doch das Risiko scheint auf der Unterseite zu liegen, sofern die Gespräche nicht scheitern.“
Auch heute scheinen erst einmal wieder alle anderen Marktfaktoren in die zweite Reihe verbannt, während die Marktteilnehmer auf neue Entwicklungen im Friedensprozess warten. Etwas Unterstützung kommt heute dennoch durch wachsende Erwartungen einer möglichen Zinssenkung der US-Notenbank im Dezember. Jüngste Konjunkturdaten zeigen eine Abschwächung der Einzelhandelsumsätze und eine geringere Inflationsdynamik. Niedrigere Zinsen würden das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Ölnachfrage stützen.
Am Nachmittag stehen zudem noch die DOE-Bestandsdaten aus, die möglicherweise Potenzial für neue Richtungsimpulse hätten. Sollten sie jedoch die API-Datenbestätigen, hätte auch der DOE-Bericht einen neutralen Charakter und würde hinter den geopolitischen Entwicklungen der Woche zurücktreten.
Aus fundamentaler Sicht bleibt die Einschätzung heute bearish, da die diplomatischen Bemühungen um einen Waffenstillstand in der Ukraine weiter auf Hochtouren laufen. Sollte dieser tatsächlich möglich werden und damit eine größere Menge russisches Öl auf den Markt zurückkehren, könnte dies in Kombination mit der ohnehin erwarteten Angebotsschwemme im nächsten Jahr für massiven Preisdruck sorgen.
Die Inlandspreise weisen heute im Vergleich zu gestern Vormittag starke Preisnachlässe auf, da sich hier noch der gestrige Kursrutsch bei Gasoil bemerkbar macht.